LOMU Hamburg: soziale Experimente und Aktionen zu Technologie, Kunst, Politik, Gesellschaft, Globalisierung, Regionalisierung, Globalisierungskritik, Schwarmintelligenz, …konomie, Situationismus, Utopie, Stadtentwicklung, UrbanitŠt, Zukunftsvisionen, Futurologie, Trendforschung, Kapitalismuskritik, Web 2.0, Community
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Das Quizexperiment

Ein sehr populäres Beispiel für gelebte Schwarmintelligenz ist der so genannte Publikumsjoker in der Fernsehquizshow „Wer wird Millionär“ mit Günther Jauch. Seine Treffsicherheit ist für die Kandidaten der Show sehr gewinnbringend, wie wissenschaftliche Analysen inzwischen bestätigen.

Roger Hartley von der Universität Manchester kommt zusammen mit zwei Kollegen bei der Auswertung der Daten* von 515 Kandidaten der britischen Version der Quizshow u.a. anderem zu dem Ergebnis, dass der Publikumsjoker für die Spieler so wertvoll ist wie der Telefonjoker und der Fifty-Fifty-Joker zusammen. Die beiden letzten liegen etwa gleichauf.

Der Publikumsjoker erfüllt dabei im Idealfall die vier Vorraussetzung für schwarmintelligentes Verhalten (nach Norbert Bolz):

1. besteht das Publikum aus einer hetero-gen zusammengesetzten Gruppe von Menschen, die
2. unabhängig von einander ihr Urteil fällen, dabei
3. untereinander kein wie auch immer abgestimmtes Ziel verfolgen oder Absichten hegen, und schließlich
4. möglichst aus einer vorgegebenen Anzahl von Lösungsmöglichkeiten wählen können (Multiple-Choice-Verfahren).

Die letztgenannte Anforderung ist relevant, wenn es um inhaltliche Fragestellungen geht, um zu verhindern, dass die Gruppe eine Vielzahl heterogener Antwort wiedergibt. Wie wir in unserem kleinen Experiment gesehen haben ist dies bei quantitativen Problemstellungen, wie die Frage nach einem bestimmten Zahlwert, keine unbedingt notwendige Bedingung. Dagegen muss etwa Voraussetzung 3. zwingend erfüllt sein, wie das Beispiel der russischen Ausgabe von „Wer wird Millionär“ zeigt. Der Publikumsjoker ist dort bei den Kandidaten nicht sehr beliebt, da das russische Studiopublikum gerne falsche Antworten gibt, weil es den Kandidaten den Gewinn neidet**.


James Surowiecki nennt in seinem Buch "Die Weisheit der Vielen" noch ein weiteres interessantes Beispiel, das für die zweite Frage Pate stand: Auf einem Viehmarkt in England musste das Gewicht eines Ochsen geschätzt werden. Der Durchschnitt aus den Schätzungen der 787 Anwesenden betrug 1.187 Pfund - das tatsächliche Gewicht des Ochsen lag bei 1.188 Pfund!

LOMU stellte nun zwei Fragen:

1. Welche Stadt liegt am südlichsten: Tokio, Teheran, Lissabon oder Los Angeles?

2. Wie groß ist die Anzahl der Singles in Hamburg?

Zunächst musste jeder der Anwesenden seine Antwort auf einem Zettel abgeben. Anschließend wurden zwei Gruppen gebildet: eine mit 23 und eine mit 6 Leuten, die sich dann noch auf eine gemeinsame Gruppenantwort einigen sollten.

Dabei kamen folgende Ergebnisse heraus:


Ergebnis Frage 1:

Einzelantworten: Los Angeles 13 Stimmen, Teheran 11, Tokio 4 und Lissabon 1.

Gruppenantworten: Die große Gruppe entschied sich für Los Angeles, die kleine für Tokio.

Die richtige Antwort war Los Angeles (33° nördliche Breite).

Die Einzelauswertung zeigt übrigens schon die richtige Reihenfolge: Los Angeles auf etwa 33°, Tokio und Teheran fast gleich auf 35° und Lissabon schon auf ca. 38° nördlicher Breite.

Ergebnis Frage 2:

Die Schätzungen der 29 Einzelantworten reichten von 50.000 bis zu 1 Million Singles in Hamburg. Ihr rechnerischer Durchschnitt betrug 412.000. Die Mittlere Abweichung (Streuung) lag bei gut 220.000, der Median demzufolge bei 450.000 (also was im statistischen Mittel an Einzelmeinungen abgegeben wurde).

Gruppenantworten: Die große Gruppe einigte sich nach interner Diskussion auf 270.000 Singles in Hamburg (als interner Mittelwert, die Meinungen in der Gruppe reichten in der Diskussion von 200.000 bis 400.000). Die kleine Gruppe entschied sich für 350.000.

Die richtige Antwort lautete: Es gibt 340.000 Singles in Hamburg (Quelle: Singleboersen-vergleich.de).


Als Fazit lässt sich hieraus schlussfolgern, dass man im Zweifelsfall eine größere Gruppe von Menschen fragt, wenn die richtige Lösung für einen einzelnen unsicher erscheint - und eben mal kein Internetanschluss in der Nähe ist.


Weitere Quellen:
*Originalarbeit der Forscher: Roger Hartley, Gauthier Lanot, Ian Walker, "Who Really Wants to be a Millionaire? Estimates of Risk Aversion from Gameshow Data"
** Quelle: wikipedia.de

LOMU #2

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